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Die Entstehung und Entwicklung der Kripo in Deutschland

Wenn man bedenkt, dass Verbrechen wahrscheinlich tatsächlich im wörtlichen Sinn “so alt sind, wie die Menschheit”, dann ist verglichen damit die heutige Kriminalpolizei eine geradezu junge Institution. Insbesondere die heute übliche strikte Trennung zwischen den Ermittlern (Staatsanwaltschaft und Kripo) und denjenigen, die über die mögliche Bestrafung entscheiden (Gericht), ist aktuell gerade mal 200 Jahre alt.

Im Mittelalter wurden viele Verbrechen, wenn man denn überhaupt den vermutlichen Täter kannte, über die Fehde oder private Sühnevereinbarungen geahndet. In der Frankenzeit sprachen vielerorts auch Gaugrafen oder Schultheiße im Namen des jeweiligen Königs Recht. Danach wurden in Städten (häufig auch durch reiche Kaufleute) nach und nach Wachmannschaften eingesetzt, die für öffentliche Ordnung sorgen sollten. So sollten zum Beispiel Nachtwächter und Torwachen innerhalb und außerhalb der Stadtmauern vor Dieben, Einbrechern, Räubern und Brandstiftern schützen.

Durch die im Jahr 1532 von Kaiser Karl V. verkündete Constitutio Criminalis Carolina erreichte schließlich der berühmt-berüchtigte “gemeine Inquisitionsprozeß” seinen Höhepunkt. Hier lagen die Ermittlungen, die Anklage und die Verurteilung in einer Hand, vieles lief in geheimen Sitzungen ab, die Folter spielte eine große Rolle. Im Mittelpunkt der Beweisführung standen ja auch die sogenannten Personalbeweise: Zeugenaussagen und vor allem das Geständnis des Täters. Sachbeweise waren nahezu unbekannt.

Im Jahr 1719 wurden in Preußen durch Friedrich Wilhelm I. das Militär- Finanz- und Polizeiwesen von der Justiz abgetrennt. Es gab danach unter anderem “Polizeyausreuther” die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verantwortlich waren. Der Monarch erklärte dazu u.a. “Die polizeiliche Tätigkeit besteht darin, die Ruhe des Publikums und der Einzelpersonen sicherzustellen, die Stadt von allem zu reinigen, was Unordnung hervorrufen könnte, den Wohlstand zu fördern und jeden nach seinen Verhältnissen und nach seinen Pflichten leben zu lassen.” (Die sogenannte Wohlfahrtspolizei.)

Erst 1740 wurde in Preußen die Folter abgeschafft, 1806 in Bayern und 1822 in Hannover.

Eine genauere gesetzliche Regelung der polizeilichen Aufgaben erfolgte schließlich zum ersten Mal durch das “Preußische Allgemeine Landrecht” im Jahr 1794. Damals wurde bei der Justiz unter anderem zwischen Polizei- und Kriminalgerichten unterschieden. Vor den Polizeigerichten mussten sich Bürger verantworten, die gegen die Öffentliche Ordnung verstoßen hatten (unschickliches Verhalten in der Öffentlichkeit, Ruhestörung, Landstreicherei und ähnliches). Wer “richtige” Straftaten beging, landete vor dem Kriminalgericht.

Die Polizei war aber im 18. Jahrhundert noch nicht in die Sparten “Schupo” und “Kripo” unterteilt. Polizisten sollten ganz allgemein die nötigen Anstalten treffen “zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitglieder desselben bevorstehenden Gefahren”. Die Polizei hatte bei entdeckten Verbrechen lediglich das Recht des ersten Angriffs und der vorläufigen Untersuchung. Die tatsächliche Aufklärung einer Straftat, die Suche nach Zeugen und Beweisen und Überführung des Täters war Aufgabe der Kriminalgerichte.

1799 wurde in Berlin erstmals ein Polizeidirektor eingesetzt und sechs Polizeibeamte wurden dem Kriminalgericht zugeordnet. Sie sollten (unter direkter Aufsicht des Gerichts) alle zur Aufklärung von Verbrechen und Vergehen erforderlichen Ermittlungen und Vernehmungen durchführen. Man schuf, zunächst in Königsberg und Berlin, sogenannte “Sicherheitsbüros” und es wurde ausdrücklich erlaubt, dass Polizeibeamte in Ausnahmefällen auch ohne Uniform tätig werden durften. Das waren im Prinzip die ersten Kriminalbeamten Deutschlands.

Als eigentliche “Geburtsurkunde” der Kriminalpolizei kann man das “Berliner Polizeireglement” vom 01.04.1811 ansehen, ein Abkommen zwischen Justiz und Polizei. Die Polizeibehörde durfte jetzt endlich in eigener Verantwortung Straftaten aufklären und die Fälle ohne sofortige Hinzuziehung der Gerichte bearbeiten.  (Siehe auch Aktuelles.)

Die Berufsbezeichnung “Kriminalkommissar” taucht erstmals 1820 auf, eine wirkliche Trennung in die Sparten Schutzpolizei und Kriminalpolizei erfolgte aber erst 1872 in Berlin. Auch in Bremen (1853) und Hamburg (1875) wurde die Polizei reformiert, bis schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts alle großen deutschen Städte neben der Schutzpolizei auch über zivile Ermittler zur Klärung von Verbrechen verfügten.

Die erste klassische Mordkommission in Deutschland wurde 1885 anlässlich des Mordfalls Dickerhoff in Berlin eingesetzt, die Schaffung eines Erkennungsdienstes folgte ein Jahr später. Dieser Weg führte immer weiter, vom ehemaligen Einheitspolizisten zum spezialisierten Fachmann für Mord, Sittendelikte, Einbruch oder Raub.

1893 erschien das “Handbuch für den Untersuchungsrichter” von Hans Gross, ein seinerzeit bahnbrechendes Standardwerk im Bereich der Kriminalistik. Dr. jur. Gross (1847 – 1915) lehrte als Professor unter anderem an der Uni Graz und wird bis heute sicher nicht zu Unrecht als Begründer der modernen Kriminalistik bezeichnet. Von ihm stammen zum Beispiel solche heute noch gültigen Theorien und Fachbegriffe wie “Modus Operandi”, er entwickelt das Prinzip des noch heute verwendeten “Tatortkoffers” und er schuf eine umfassende Sammlung von corpora delicti: Tatwaffen, Schädeldecken und andere Körperteile von Opfern, Gifte, gefälschte Geldscheine und Münzen, umfassendes Bildmaterial von Verbrechern, Opfern und Selbstmördern, Gipsabdrücke, Tatortreliefs und -skizzen, Einbruchswerkzeuge und Falschspielerutensilien. Dies und noch vieles mehr begann er in großem Umfang zu archivieren und einer wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich zu machen. Diese Sammlung von Hans Gross war der Grundstein für das noch heute existierende Kriminalmuseum der Uni Graz (externe Links).

Bei einer Polizeikonferenz in Berlin wurde 1897 erstmals eine Landeskriminalpolizei gefordert; die eine bessere Zusammenarbeit der Länder und freien Städte gewährleisten sollte. Die Konferenz scheiterte jedoch und man brauchte noch Jahrzehnte, bis es in allen Teilen Deutschlands Landeskriminalämter gab, geschweige denn das BKA geschaffen wurde. In Dresden/Sachsen wurde 1912 eine Landeskriminalpolizei gegründet, ein Jahr später folgte Württemberg. Insgesamt jedoch stockte die Weiterentwicklung der kriminalpolizeilichen Organisation während des 1. Weltkriegs; auch das in der Weimarer Republik geschaffene “Reichskriminalpolizeigesetz” vom 21.07.1922 trat tatsächlich nie in Kraft. Die vom Schöpfer des Gesetzes Dr. Robert Heindl entwickelten Gedanken wurden jedoch von einigen Ländern aufgegriffen und führten vielerorts zur Umorganisation der Polizei. In Wien gründete man 1923 die Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission (IKPK), die sich das Ziel setzte, durch verbesserten Nachrichtenaustausch die Verbrechensbekämpfung zu modernisieren. Man führte zentrale Karteien für Fingerabdrücke ein und unterhielt einen Nachrichtendienst über Haftbefehle und Festnahmen internationaler Verbrecher. Innerhalb Deutschlands gab es jedoch noch immer keine einheitlichen Regelungen für kriminalpolizeiliche Zusammenarbeit, überall wurde mehr oder weniger nach eigenem Gutdünken “vor sich hin gewurschtelt”. Während die Straftäter immer mobiler wurden (Ausbau des Eisenbahnnetzes, zunehmender Pkw-Verkehr) war der tatsächliche Austausch von Informationen zwischen den Kripo-Dienststellen einzelner Städte oder Länder mehr als dürftig.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde auch die deutsche Polizei durch die Nazis “gleichgeschaltet”. Man schuf 1939 das Reichsicherheitshauptamt und legte Kriminalpolizei, Geheime Staatspolizei und den Sicherheitsdienst unter der Führung von Reinhard Heydrich zusammen. Die Polizei wurde stark zentralisiert, was für die Aspekte Nachrichtenaustausch, Vereinheitlichung der Arbeitsmethoden oder die Verfolgung reisender Straftäter zwar positiv war; aber die Polizei wurde natürlich, wie alle Bereiche des öffentlichen Lebens, von den Nazis massiv missbraucht.

In der Konferenz von Jalta im Februar 1945 legte man fest, dass die deutsche Polizei entnazifiziert, demokratisiert und dezentralisiert werden sollte. Die Dezentralisation erfolgte schließlich zum Teil schon zwangsläufig durch die vier Besatzungszonen. Die überörtliche Zusammenarbeit war nach dem Zusammenbruch auch aus technischen Gründen kaum möglich, der kriminalpolizeiliche Aktionsradius der Verbrechensbekämpfung blieb zunächst wieder auf den örtlichen Polizeibezirk beschränkt.

Das am 23.05.1949 in Kraft getretene Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland legt in Artikel 73 fest: “Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei...”.
Direkter Ausfluss hieraus ist das im März 1951 geschaffene “Gesetz über die Errichtung eines Bundeskriminalamtes”. Das BKA soll nach diesem Gesetz (bis heute) die Zusammenarbeit der Polizei der Bundesländer koordinieren und verbessern, Nachrichten und Unterlagen für die Verbrechensbekämpfung sammeln und auswerten, den “notwendigen Dienstverkehr” mit ausländischen Behörden führen und in schwerwiegenden Fällen eigene Ermittlungen durchführen. Das BKA wurde am 05.03.1951 in Hamburg eingerichtet, zog aber im Mai 1952 nach Wiesbaden um, wo es noch heute überwiegend seinen Sitz hat. Ein Teil wurde aber nach der Wiedervereinigung Deutschlands nach Berlin verlagert. Eigene Ermittlungen sind, gemessen an der Zahl der Mitarbeiter, eher die Ausnahme. Das BKA ist zum Teil eher ein riesiger “Datenfriedhof” und soll versuchen, mit tausenden von Mitarbeitern die wachsende Informationsflut zwischen der Bundes- und den Landespolizeien sowie ausländischen Dienststellen auszuwerten und Maßnahmen zu koordinieren.
Es gibt aber auch durchaus eine ganze Reihe wichtiger Funktionen, denn ohne eine zentrale Erfassung und Auswertung bestimmter Fakten (beim BKA) geht es zum Teil einfach nicht. Nur über den zentralen Schusswaffenerkennungsdienst kann man zum Beispiel feststellen, ob mit einer Pistole, die man bei einem Täter in Hamburg findet, schon einmal in München jemand erschossen wurde.

Die heute noch übliche ovale Kriminaldienstmarke, wie sie hier abgebildet ist, wurde ab 1954 in den Bundesländern eingeführt. Sie geht letztendlich zurück auf die (runde) Legitimationsmedaille der “Koeniglich Preussischen Policei-Beamten”, die Anfang des 19. Jahrhunderts im “Preußischen Polizeireglement” festgelegt wurde. Die an einer Kette getragene Marke diente und dient den zivilen Beamtinnen und Beamten dazu, sich trotz fehlender Uniform im Einsatz schnell als “richtiger” Polizist ausweisen zu können. Sie ersetzt aber nicht den normalen Dienstausweis. Im Zweifelsfall sollte man sich als betroffener Bürger immer auch den Dienstausweis mit einem Foto zeigen lassen.

Obwohl auf den Marken natürlich noch immer “Kriminalpolizei” steht, ist der Begriff Kripo polizeiintern beinahe vom Aussterben bedroht. In vielen Bundesländern wurde in den vergangenen Jahren die Polizei gründlich reformiert und (vermeintlich) modernisiert. In Nordrhein-Westfalen gab es zum Beispiel 1993/94 eine erste sogenannte “Neuorganisation”. Die früher übliche Zweiteilung in “Schupo” und “Kripo” wurde aufgehoben, und es gab bis Ende 2006 in den Polizeibehörden jeweils eine ganze Reihe von “Unterabteilungen”. In Großstädten waren das oft sogar sieben bis acht solcher Unterabteilungen, eine davon hatte den Namen “Zentrale Kriminalitätsbekämpfung” erhalten, Beamtenkürzel: UA ZKB. Hier wurden Straftaten wie Mord, Entführung, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Drogenhandel und weitere, meist schwerwiegendere Delikte, bearbeitet. Andere Straftaten wie Diebstähle, Körperverletzungen und Einbrüche wurden in mehreren anderen “Unterabteilungen” dezentral bekämpft, in Wahrheit eher verwaltet. Eine einheitliche Kriminalpolizei, die komplett für die Aufklärung sämtlicher Deliktsformen zuständig gewesen wäre, gab es in NRW für weit über zehn Jahre nicht mehr. Das Wort “Kripo” ist aber bis heute, insbesondere bei vielen Vorgesetzen, in höchstem Maße verpönt. Der Begriff “Kriminalpolizei” wird nach wie vor offiziell, wenn es nur irgendwie geht, penibel vermieden. Auf der Internet-Seite der Polizei NRW fand man bis 2012 unter dem Stichwort „Bewerbung“ weder das Wort Kriminalpolizei noch das Kürzel Kripo. Man wies lediglich darauf hin, dass man als Polizeibeamter nach einigen Jahren im Streifendienst und der Arbeit in der Hundertschaft unter Umständen „Ermittler in einem Kommissariat“ oder „Sachbearbeiterin und Sachbearbeiter im Ermittlungsdienst“ werden könne.

Die Ausbildung der Beamten und Beamtinnen war in NRW schon seit Anfang der Achtziger Jahre immer mehr vereinheitlicht worden. Jeder Kommissar, der heute die Fachhochschule verlässt, hatte einen völlig identischen Lehrplan – ganz egal, ob er anschließend im Streifenwagen arbeiten will, beim SEK eingesetzt wird oder in einem Kommissariat für Wirtschaftskriminalität arbeiten möchte. Wer nach dem erfolgreich absolvierten FHS-Studium zum Kommissar ernannt wird und in den Streifendienst versetzt wird, führt den Dienstgrad Polizeikommissar (PK). Wer einige Jahre später, weil dort gerade eine Stelle freigeworden ist, in einem Kommissariat zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität arbeitet, darf sich ab sofort Kriminalkommissar (KK) nennen. Immerhin muss man heute aber nach (!) dem Wechsel zur Kripo einen sechsmonatigen Lehrgang absolvieren, mit dem man zum Kriminalbeamten ausgebildet wird.

Ob dieser Weg eines “Einheitspolizisten”, der universell einsetzbar ist, tatsächlich der richtige Weg ist, sich den aktuellen - und den zukünftigen - Anforderungen  zu stellen, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Gefordert wird von Fachleuten zum Beispiel eine so genannte “Y-Ausbildung” an der FHS. Hiermit ist gemeint, dass man zunächst gemeinsam studiert, um dann, spätestens im letzten Studien-Jahr, getrennte Wege zu gehen. In dieser Phase würden die späteren Schutzpolizisten zum Beispiel vermehrt Vorlesungen in Verkehrsrecht und Polizeirecht hören, bei angehenden Kriminalbeamten  läge der Schwerpunkt eher auf Kriminalistik, Kriminologie, Strafprozessrecht und Kriminaltechnik.

Ob und wann diese notwendige Studienreform in NRW einmal kommen wird, ist derzeit noch völlig offen.

Mittlerweile hat man die Polizeibehörden Nordrheinwestfalens schon wieder neu organisiert. Derzeit propagiert man (ab 2007 ) das so genannte “Direktionsmodell”. Daher gibt es jetzt in den Polizeibehörden immerhin jeweils wieder eine einzige Abteilung, die komplett für die Kriminalitätsbekämpfung verantwortlich ist. Ein erster Schritt in die richtige Richtung, um die eklatanten Defizite, die die Neuorganisation von 1993/94 mit sich brachte, zu kompensieren.
Aber natürlich heißt die Sparte in NRW wieder nicht, wie bis 1993, ganz einfach Kriminalpolizei, sondern jetzt erst einmal bis auf weiteres “Direktion Kriminalität”.

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