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Kriminalistik – Kriminologie
Was ist der Unterschied?
 

Der Begriff ”Kriminalistik” rührt von dem lateinischen Wortstamm ”crimen” = das Verbrechen her. Ob die Kriminalistik als eigenständige Wissenschaft angesehen werden kann, ist unter Fachleuten teilweise umstritten. In Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten folgende Lehrmeinung weitestgehend durchgesetzt: die Kriminalistik gehört zu den sogenannten “nichtjuristischen Kriminalwissenschaften” und steht gleichrangig neben der Kriminologie.

Die Kriminalistik 

“Kriminalistik ist die Lehre von den unmittelbaren präventiven und repressiven Maßnahmen der Bekämpfung des Verbrechens und der Verbrecher durch die Strafverfolgungsorgane.” (So wird’s an den Polizei-Fachhochschulen in Deutschland gelehrt, wo der Kommissarnachwuchs ausgebildet wird. Ziemlich trocken und holprig formuliert.) Um es auf den Punkt zu bringen:
”Die Kriminalistik ist die Lehre von der Verbrechensbekämpfung”
Dabei greift die Kriminalistik auf bestimmte Erkenntnisse der Geistes- und Naturwissenschaften zurück. Die Rechtswissenschaften sind im Gegensatz zu den relativ unveränderlichen Naturwissenschaften  immer zeitgebunden, da sie sich permanent den jeweiligen sozialen Verhältnissen anpassen. Die Einschätzung, welches menschliche Verhalten verboten und welches erlaubt ist, hat sich in den letzten Jahrhunderten ständig gewandelt und fortentwickelt. Auch die Zulässigkeit von Methoden bei der Klärung von Straftaten (Beispiel: Folter, Vernehmungsmethoden) und die Möglichkeiten der Bestrafung (Todesstrafe, Zwangsarbeit) hängt stets von den allgemein vorherrschenden Weltanschauungen, Religionen und gesellschaftlichen Gesamtumständen ab.
Die Kriminalistik umfasst alle rechtlich zulässigen taktischen und technischen Maßnahmen, Möglichkeiten und Methoden der Verbrechensverhütung und der Strafverfolgung.
Die Kriminalistik ist also, etwas vereinfacht ausgedrückt – im Gegensatz zur Kriminologie – die Praxis der Verbrechensbekämpfung. Dabei werden teilweise auch Erkenntnisse der Kriminologie genutzt.
 

Die Kriminologie 

Die Kriminologie die Erforschung des Verbrechens in seiner äußeren Erscheinung und seiner inneren Ursachen. Man versucht, mit wissenschaftlichen Methoden die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Straftaten zu analysieren und die persönlichen und gesellschaftlichen Ursachen kriminellen Verhaltens zu ermitteln. (Welche grundsätzlichen Arten von Straftaten gibt es? – z.B. Sexualdelikte, Bereicherungsdelikte- Wodurch entsteht kriminelles Verhalten? Welche Gründe liegen in der einzelnen Persönlichkeit des Straftäters, welche Ursachen liegen in der Umwelt / der Gesellschaft?)
Aus den gewonnenen Erkenntnissen leitet man u.a. die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur erfolgreicheren Verbrechensverhütung und -bekämpfung sowie zur Resozialisierung ab.
Wieder etwas vereinfacht ausgedrückt: Die Kriminologie ist - im Gegensatz zur Kriminalistik – in der Hauptsache Theorie. Es ist überwiegend reine Forschung, das Aufstellen von Theorien und Denkmodellen, der Versuch, das Phänomen Kriminalität theoretisch zu erklären. Die Erkenntnisse dieser Forschung fließen aber natürlich auch in die Praxis der Kriminalitätsbekämpfung und insbesondere der Prävention ein.

 

Man unterteilt die Kriminalistik in mehrere Disziplinen:

Kriminalstrategie
Dies ist das Gesamtkonzept polizeilicher Verbrechensbekämpfung. Sie wird meist von sogenannten Aufsichtsbehörden (Innenminister, Landes- und Bundeskriminalamt) erarbeitet und als ”Leitlinie” vorgegeben (z.B. die Erstellung von allgemeinen Präventionsprogrammen oder das Schaffen von neuen Spezialdienststellen).¶Hierzu gehört natürlich auch die Planung und Beschaffung der benötigten Logistik und die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel.

Kriminaltaktik
Hierunter versteht man das konkrete Vorgehen des Kriminalbeamten / der Beamtin bei der Aufklärung und Verhütung von Straftaten im Einzelfall. Man analysiert die aktuelle Sachlage und entscheidet,  mit welchen Methoden man möglichst effizient und erfolgreich an ein kriminalistisches Problem ”herangeht”. ¶Die taktischen Überlegungen können sich sowohl auf eine einzelne geplante Handlung (z.B. Wohnungsdurchsuchung, Festnahme, Vernehmung) oder auf ein größeres Problem beziehen (Wie bekämpft man effektiv eine aktuelle Einbruchserie in einem Stadtteil?).

Kriminaltechnik
Die Kriminaltechnik wird meist noch allgemein mit der ”Spurenkunde” gleichgesetzt. Es geht dabei um die Suche nach Spuren und die anschließende Sicherung dieser Sachbeweise  mit naturwissenschaftlichen und modernen Hilfsmitteln. (Beispiele: Suche und Sicherung von Fingerspuren, Untersuchung entfernter Motornummern beim Auto, Auswertung von Werkzeugspuren an einem aufgebrochenen Fenster.) Es ist die allgemein bekannte ”klassische” Arbeit des Erkennungsdienstes der Kripo.

Bei der Polizei wird aber heute noch deutlich mehr spezielle Technik eingesetzt, z.B. bei der modernen Telefonüberwachung (auch Handy), bei SEK-Einsätzen, bei Observationen (Satellitengestützte GPS-Peilung).

Kriminalmedizin
Die Kriminalmedizin beinhaltet die Untersuchung und Begutachtung des lebenden und toten menschlichen Körpers (z.B. Verletzungen dokumentieren, Blut auf Fremdstoffe wie Betäubungsmittel, Gift, Alkohol untersuchen, Todesursache feststellen). Es ist der Oberbegriff für alle denkbaren Fälle, in denen Mediziner herangezogen werden, um bei der Strafverfolgung mitzuwirken. Die bekannteste Form ist sicherlich die Obduktion durch die Rechtsmedizin (Bestimmung von Todesursache, Todeszeit).

Kriminalpsychologie
Die Kriminalpsychologie erforscht die Motive von Tätern und Zeugen im Zusammenhang mit Straftaten. ¶Die Psyche des Täters steht hier im Mittelpunkt. Gerade bei Gewalt- und Sexualdelikten ist es bei der Suche nach dem (noch unbekannten) Täter wichtig, Erkenntnisse über seine mögliche psychische Verfassung zu erlangen. Kann man von der Tat selbst und den Spuren am Tatort auf die Persönlichkeit, das Alter, das Bildungsniveau und das Geschlecht des Täters schließen? Kriminalbeamte und -beamtinnen, die sich auf diesem Wege an eine mögliche Tatklärung begeben, werden neudeutsch gern "Profiler" genannt.
Auch bei der späteren Vernehmung eines bereits ermittelten Täters ist natürlich psychologisches Wissen und Geschick gefragt, um z.B. ein Geständnis zu erlangen (Vernehmungspsychologie). Man versucht aber auch unter anderem, durch psychologische Gutachten, die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu beurteilen (Beispiel: bei Vernehmungen von Kindern als Hauptbelastungszeugen im Strafverfahren).

 

Spezialgebiete der Kriminologie sind unter anderem:

(Kriminal-)Anthropologie
Sie erforscht die in der Person des Täters liegenden Ursachen des Verbrechens (körperliche und geistige Konstitution, insbesondere die genetische Veranlagung) ¶Grundlegende Fragestellung: Gibt es, zumindest in Einzelfällen, den ”geborenen Verbrecher”? Ist Verbrechen überwiegend anlagebedingt?

(Kriminal-)Soziologie
Erforschung der äußeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Umstände, die Menschen kriminell werden lassen. Welchen Einfluss haben Faktoren wie  Lebensstandard, Wohnsituation, Arbeitslosigkeit, Bildung beim Entstehen der Kriminalität?
Grundlegende Fragestellung: Ist Verbrechen überwiegend umweltbedingt?

(Kriminal-)Psychologie
Sie befasst sich sowohl mit dem Seelenleben des Straftäters (objektive Kriminalpsychologie), als auch mit den inneren Einstellungen von Richtern, Zeugen und Sachverständigen (subjektive Kriminalpsychologie). Bei Kapitaldelikten (z.B. Mord, Totschlag) wird z.B. immer ein psychologisches Gutachten über den Angeklagten erstellt, um seine Schuldfähigkeit klären und seine möglichen Motive zu erforschen.

Pönologie
Die Lehre von den möglichen Behandlungsformen, Untersuchung der Wirksamkeit von Strafe.

Victimologie
Wissenschaftliche Untersuchungen hinsichtlich der Persönlichkeit und des Verhaltens von Verbrechens-Opfern. Sind bestimmte Personen und / oder Bevölkerungsgruppen von bestimmten Straftaten überproportional häufig betroffen? Warum ist das gegebenenfalls so?
Die Victimologie befasst sich auch mit Fragen der langfristigen psychischen Folgen von Verbrechen für die Opfer sowie mit dem sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich.

 

Die aktuelle Situation in Deutschland:

Als eigenständiges Lehrfach existierte die Kriminalistik an den deutschen Universitäten, zumindest in der „alten“ Bundesrepublik, jahrzehntelang überhaupt nicht. Und nach der Wiedervereinigung beschloss der Berliner Senat am 18.12.1990, auch die letzte existierende Sektion Kriminalistik an der Humboldt-Universität zu Berlin endgültig „abzuwickeln“. Damit wurde das Lehrfach Kriminalistik in Deutschland im Jahr 1994 erst einmal komplett abgeschafft.

Das Fach Kriminalistik wurde danach nur noch an den verschiedenen Fachhochschulen der Bundesländer gelehrt, wo Polizeibeamte im Rahmen eines Bachelor-Studienganges ausgebildet werden. Aber leider gerät das Lehrfach auch dort immer mehr “unter die Räder”, weil man in vielen Bundesländern dazu übergegangen ist, „Einheitspolizisten“ auszubilden, die vermeintlich alles können (aber oft eben nichts richtig). Das Fachhochschulstudium in NWR ist zum Beispiel darauf ausgerichtet, uniformierte Polizeibeamte auszubilden, die anschließend auf dem Streifenwagen oder in einer Einsatzhundertschaft eingesetzt werden. Eine direkte und gezielte Ausbildung zum Kriminalbeamten gibt es nicht mehr, daher ist Kriminalistik natürlich auch zu einem eher unwichtigen Nebenfach degradiert worden. (Weiteres zu diesem Thema: hier.)

Er gibt aber auch erste Lichtblicke.

Mit Beginn des Wintersemesters 2005/2006 konnten sich an der Ruhr-Universität in Bochum die ersten Studierenden für den Masterstudiengang „Kriminologie, Kriminalistik und Polizeiwissenschaft“ einschreiben, damals noch als Präsenzstudium. Seit Januar 2008 besteht der nunmehr berufsbegleitende Masterstudiengang in neuer Form als Blended-Learning-Konzept, im Jahr 2016 wurde der viersemestrige Studiengang modifiziert. Seither besteht die Möglichkeit, Wahlmodule in den Bereichen Kriminologie oder Kriminalistik schwerpunktmäßig zu studieren.

Ein weitere Fortschritt war dann der 1.10.2020, als in Brandenburg 25 Studentinnen und Studenten ihr Studium im neuen Masterstudiengang „Kriminalistik“ an der Hochschule der Polizei in Oranienburg aufnahmen.

Aber die Deutsche Hochschule der Polizei in Münster / NRW verschließt sich nach wie vor den Forderungen von Experten nach einem eigenen Masterstudiengang „Kriminalwissenschaften“

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