Journalisten und das Strafgesetzbuch
Eine aktuelle Schlagzeile in den Zeitungen lautete jüngst: “Jennifer Lopez beraubt”. Ein Leser mit jursitischen Vorkenntnissen hat sogleich ein konkretes Bild vor Augen: J-Lo schaut entsetzt in
den Lauf einer geladenen Waffe, ein Maskierter reisst ihr das Designer-Handtäschchen weg... Weit gefehlt. Wenn man den Zeitungs-Text zuende liest, erfährt man, das jemand in eine Wohnung des Latino-Stars
eingebrochen ist, während sie nicht zuhause war. Das ist keine Ausnahme. Viele Journalisten sprechen sehr häufig von Raub, wenn sie eigentlich Diebstahl meinen (“Kunst-Raub im Museum SoUndSo”, wenn dort
eingebrochen wurde).
Daher mal hier ein paar grundsätzliche Erklärungen: Ein Raub hat immer etwas mit Gewaltausübung oder zumindest -androhung zu tun. Eine leere Wohung kann daher nicht beraubt werden.
Ein paar simple Beispiele:
Jemand beklaut eine andere Person, in dem er dem / der Fremden heimlich etwas aus der Jackentasche nimmt. Das ist ein einfacher Diebstahl.
Jemand bricht eine Tür auf, geht in eine fremde Wohnung und klaut etwas. Das ist ein schwerer Diebstahl / ein Einbruch.
Jemand schlägt ein Opfer mit einem Baseball-Schläger nieder und nimmt dann sein Geldbörse aus der Jackentasche. Das ist ein Raub.
(Das wird deutlich härter bestraft als der gewaltlose Diebstahl oder Einbruch.)
Jemand beklaut eine andere Person, wird dabei erwischt und schlägt dann den Beklauten nieder, um mit der Beute zu flüchten. Das ist ein räuberischer Diebstahl
und kann genau so bestraft werden wie ein Raub.
Das Strafgesetzbuch hat für Laien noch viele andere Fallstricke parat. So handelt es sich zum Beispiel - streng juritsisch gesehen - bei den absolut meisten Fällen von “Bankraub” nicht um einen Raub.
Klassisch ist es ja so, das der Täter in die Bankfiliale geht, eine Schusswaffe auf den Kassierer oder die Kassierin richtet und so was sagt wie “Geld her”. Er lässt sich das Geld aushändigen und flüchtet. Das
ist, nach Definition des StGB, eine Erpressung. Bei einem Raub wendet man Gewalt an und nimmt einer anderen Person direkt etwas weg. Wenn man Gewalt ausübt (oder diese androht) und sich etwas geben
lässt, ist das ein Fall von (räuberischer) Erpressung. Aber eine Schlagzeile wie “Bankräuber flüchtig” ist natürlich einfach besser für eine Zeitung geeignet als die Überschrift ”räuberischer
Bankangestellten-Erpresser flüchtig”.
“Gefahr im Verzug”
Ein wichtiger Begriff aus der Strafprozessordnung, der aber immer wieder falsch verstanden und eingesetzt wird. Häufig sieht man zum Beispiel im Fernsehen Reporter, die dramatisch in die Kamera schauen,
das Mikro in der Hand, und in warnendem Ton flüstern: “Da ist Gefahr im Verzug.” Sie meinen aber offensichtlich nicht selten so etwas wie: “Achtung, da ist Gefahr im Anzug” oder “Das zieht Gefahr herauf.”
Sie verwechseln schlicht und einfach die Bedeutung der heutzutage etwas altbackenen Formulierungen “im Verzug” und “im Anzug”. In Verzug sein bedeutet natürlich nichts anderes als Verzögerung. Man kennt den
Begriff zum Beispiel noch bei der Rückzahlung eines Kredites. Da kann man schon mal mit den Raten in Verzug sein.
Im Strafprozessrecht bedeutet “Gefahr im Verzug” folgendes: Bestimmte Maßnahmen gegen Tatverdächtige oder andere Personen darf nur ein Richter anordnen. Beispiel: Durchsuchung einer Wohnung.
Die “eigenen vier Wände” sind durch das Grundgesetz geschützt. Unter dem Begriff Wohnung sind übrigens unter Umständen auch Kellerräume, Lagerhallen, Hinterzimmer von Kneipen oder Jagdhütten zu verstehen. Will
ein Kriminalbeamter oder eine Beamtin ein solches Objekt durchsuchen (Auffinden eines flüchtigen Straftäters, Suche nach Beweismitteln wie Diebesgut, Drogen, illegale Waffen), so muss er / sie im Normalfall hierfür
einen Gerichtsbeschluss beschaffen. Den Antrag hierzu kann nur die Staatsanwaltschaft stellen, den Beschluss selbst kann nur ein Richter oder eine Richterin ausstellen. Wenn also die Kripo zum Beispiel am
Sonntagabend einen Hinweis auf einen aktuell laufenden Waffenhandel in einem bestimmten Lagerhaus erhält, so müssten die Beamten sich eigentlich einen Durchsuchungsbeschluss besorgen. Erfahrungsgemäß ist aber zu
dieser Zeit weder ein Staatsanwalt noch ein Richter “aufzutreiben”. Zumindest würde es ungewöhnlich lange dauern, bis man das gewünschte “Stück Papier” in Händen halten könnte. Anderseits muss man befürchten, dass
die Täter ein paar Stunden später nicht mehr auf frischer Tat in der Lagerhalle erwischt werden könnten. Wenn man also mit der Durchsuchung der Lagerhalle (durch die zeitaufwendige Beschaffung eines
Gerichtsbeschlusses) in Verzug geraten würde, bestünde die Gefahr, dass man den gewünschten Erfolg der Maßnahme gar nicht mehr erreichen kann. Daher besteht in einem solchen Fall
Gefahr im Verzug und die Polizei kann ohne Gerichtsbeschluss die Lagerhalle stürmen.
Immer, wenn bei solchen polizeilichen Maßnahmen, die eigentlich nur ein Richter anordnen darf, der Erfolg der Aktion durch eine Verzögerung gefährdet würde, dürfen die Polizeibeamten die Maßnahme selbst anordnen und sofort durchführen. Sie müssen sich aber vorher ernsthaft bemühen, einen Staatsanwalt oder einen Richter zu erreichen und müssen dies auch in den Akten dokumentieren.
Zurück
|